McMurtry Spéirling: wenn die Physik gebeugt wird
Auf der Rennstrecke wird gerne die Physik bis zu ihren Grenzen ausgelotet. Der Spurt von 0 auf 100 km/h beispielsweise hat bei Fahrzeugen eine natürliche Grenze – und die ist die Haftfähigkeit der Reifen. Teslas Model S Plaid sollte die magische Grenze von 2 Sekunden unterbieten, was im normalen und zivilen Straßenleben eher unwahrscheinlich ist (und von Engineering Explained bestens erklärt wurde). Mit Spezialreifen, die unglaublich kleben, sind theoretisch sogar Beschleunigungen unter 2 Sekunden möglich. Der Elektrorenner Rimac Nevera hat gerade eine ganze Menge Weltrekorde eingestellt. So schaffte der Ausnahmesportwagen den Spurt in nur 1,81 Sekunden. 0-200 dauerte mit 4,42 Sekunden auch nicht wirklich lange. Und doch gibt es einen Herausforderer, der auf der Rennstrecke hier ganz andere Werte aufruft: den McMurtry Spéirling.
Das Prinzip ist nicht neu, aber ausgefeilt
Seit es die Formel 1 gibt, versuchen die Rennställe und Autokonstrukteure auch hier die Leistungsdaten der Autos immer weiter zu treiben. Unter anderem entwickelte Lotus die sogenannten „Bodeneffektautos“, die durch clevere Aerodynamik den Anpressdruck erhöhen. Das bedeutet nicht nur schnelleres Beschleunigen sondern bei höheren Geschwindigkeiten auch höhere Kurventempi. Der Lotus 78 war so ein zunächst konkurrenzloses Fahrzeug. Mit dem Brabham BT46B wagte man sich auf noch komplizierteres Terrain. Brabham kopierte Teile des Chaparral 2J, eines sogenannten „Sucker Cars“ aus der US Sportwagen-Szene. Im Heck eingebaute Ventilatoren saugten die Luft vom Unterboden und bliesen sie nach hinten hinaus. Mit höherer Motordrehzahl wurde auch der Anpressdruck erhöht.
Ähnliches Prinzip beim Sperling
Der Elektroracer Spéirling funktioniert prinzipiell genauso. Elektrisch angetriebene Ventilatoren mit Drehzahlen von über 23.000 Umdrehungen die Minute saugen den Einsitzer auf der Straße regelrecht fest. Der Unterschied zu den Formel 1-Fahrzeugen aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts: der Anpressdruck wirkt bereits von Anfang an – auch im Stillstand. Was sogar ein „Kleben“ des Rennwagens an der Decke möglich machen würde, denn der Anpressdruck übersteigt das Gewicht des Prototypen.
Kurvengeschwindigkeiten?
Dass die möglichen Kurvengeschwindigkeiten des Elektroracers auch hier Grenzen haben, ist klar – nur liegen diese ganz weit oben. Auf den ersten Runden auf dem legendären Goodwood Festival schaffte der Elektro-Rennwagen gleich mehrere Rekorde. 0-100 km/h dauerten nur läppische 1,461 Sekunden und die in der Kurve brachte es der Wagen auf 2,83 G Seitenbeschleunigung. Das hört sich beides erst mal nicht so spektakulär an, wer sich den verlinkten Bericht von Hagerty Media und seinem Motor-Journalisten Henry Catchpole ansieht, der weiß, dass das nicht weit vom buchstäblichen „Herzkasper“ entfernt ist. Die Gesichtsentgleisungen des Journalisten sprechen Bände.
0 – 100 – 0 in weniger als 6 Sekunden
Bevor sich nun die Spezialisten melden: die Rede ist von Meilen pro Stunde. Und die 100 waren tatsächlich 113, weil der Journalist nicht schnell genug auf die Bremse trat. In km/h sind das 0 – 182 km/h in 3,83 Sekunden und von 182 km/h auf 0 in 2,7 Sekunden. Der Rimac Nevera benötigte übrigens für 0 – 200 – 0 km/h sagenhafte 8,85 Sekunden, was wirklich kein schäbiger Wert ist.
Reden wir von Preisen. Der Spéirling wird mindesten 820.000 Pfund plus Steuern kosten, das wären derzeit in Deutschland umgerechnet 1.13 Mio. Euro inklusive Mehrwertsteuer. Der Rimac Nevera kostet, da auf 150 Exemplare limitiert, etwa 2 Mio. Euro. Da könnte man beim McMurtry fast von einem Schnäppchen reden. Ach ja: die (Klein-)Serienversion wartet mit noch besseren Werten auf und soll sogar 10 Silverstone-Runden durchhalten. Danach, und das wundert niemanden, dürfte jeder noch so harte Pilot reif für die Insel sein …