Der Kia EV6: Da dürften selbst „Petrolheads“ schwach werden.
Wie sich die Zeiten geändert haben. In der Verbrenner-Ära waren die deutschen Premiummarken führend, wenn es um Performance ging. M-Power, AMG und Co stellten Autos auf die Räder, die den Ruf der deutschen Hersteller, „vollgasfeste“ Autos zu bauen, zementierten. Die Koreaner, vor allem Kia, brauchten eine ganze Zeit, um hier nachzulegen. Der Kia Stinger, den man als Antwort zum deutschen Brachialschnelllverkehr sehen kann, begnügt sich allerdings mit „nur“ 366 PS. Seit die Elektromobilität auf dem Vormarsch ist, geraten die deutschen Permiumhersteller immer mehr ins Hintertreffen. Da regiert, so entsteht der Eindruck, plötzlich die Vernunft.
Porsche und Co.
Freilich: niemand kann behaupten, dass ein Porsche Taycan „schwach auf der Brust“ sei. Im Gegenteil. Natürlich fährt die Sportlimousine ganz vorne mit – das hat allerdings auch seinen Preis. Wer für (relativ) wenig Geld in die Elektroexpress-Klasse einsteigen will, der wurde bislang nur bei den Kaliforniern fündig. Die Performance-Modelle des „Dreier“ und Model Y bieten relativ viel Leistung fürs Geld. Der Wettbewerb konnte hier allenfalls mit besserer Verarbeitungsqualität kontern, bei den Fahrleistungen und der Effizienz rangieren die Teslas in einer eigenen Liga.
Kia EV6 GT
Dieses Jahr wird ein weiterer „Express-Stromer“ debütieren. Der Kia EV6 GT. Ebenfalls basierend auf der E-GMP-Architektur der Hyundai Motor Group ist der „GT“ die Performance-Variante der Koreaner. Mit 585 PS und einem Drehmoment von 740 Nm dürften für die Dynamiker unter den Elektromobilisten kaum Wünsche offenbleiben. Den Spurt von 0 auf 100 km/h absolviert der nachgeschärfte EV6 in nur 3,5 Sekunden. Und mit seinem angepassten Fahrwerk und verstärkten Bremsen sind auch sonst keine Überraschungen zu erwarten. Klar. Wer die Leistung abruft, der wird mit sehr viel geringeren Reichweiten bestraft. Aber man kann schließlich nicht alles im Leben haben.
Auf der deutschen Autobahn
Die deutsche Autobahn ist nach wie vor das Testfeld der meisten Gelegenheitsrennfahrer. Einer moralischen Wertung darüber wollen wir uns heute allerdings entziehen. Bjørn Nyland wurde von Kia eingeladen, den neuen GT unter die Lupe zu nehmen. Und das tut er auf seine ganz eigene Weise. Da es sich um ein Vorserienfahrzeug handelt, durfte Nyland jedoch nicht selbst auf die Autobahn, sondern musste sich auf die Fahrkenntnisse eines Profis verlassen. Sein Chauffeur, Alex, ist sonst vor allem auf der Nordschleife unterwegs.
Überragende Fahrleistungen und irre Rekuperation
Der GT ist laut Datenblatt 260 km/h schnell – in der Realität des relativ dichten Autobahnverkehrs war das Erreichen dieser Speed bereits erstaunlich. Laut GPS fuhren die beiden Auto-Enthusiasten immerhin 263 km/h. Leider konnten wir den Durchschnittsverbrauch auf 100 km/h nicht einsehen, aber permanent wurden rechts die wichtigsten Parameter, abgegriffen an der OBD-Schnittstelle des Fahrzeugs, eingeblendet. Und da erlebte nicht nur Nyland seine Überraschungen. Beim Beschleunigen fliessen (man möge uns den „Verbrennerjargon“ nachsehen) schon mal mehr als 420 kW durch die Aggregate des Stromers. Das belastet die Batterie und Peripherie natürlich immens. In den rund 30 Minuten „Testfahrt“ machten die beiden zahlreiche Beschleunigungsversuche, wenn es der Verkehr zuließ. Die Technik des GT beeindruckte das kaum.
Auch bei der Rekuperation, also dem Zurückfliessen von Strom in die Batterie beim Verzögern, zeigte der EV6 GT erstaunliche Werte. Bis zu 350 kW Leistung flossen so in die Batterie zurück. Das ist insofern erwähnenswert, weil Kia die maximale Rekuperationsleistung mit nur 150 kW angibt.
Zwischenbeschleunigung
Auch der Spurt von 100 auf 150 km/h ist in diesem Auto überragend. In nur 3,46 Sekunden schafft das das über 2,2 Tonnen schwere Auto. Erst beim Zwischenpurt von 200 – 250 km/h zeigt sich, dass es Grenzen gibt. Der Luftwiderstand nimmt da durchaus Geschwindigkeit heraus. Aber auch 13,26 Sekunden von 200 auf 250 sind nicht wirklich langsam. Unten links wird übrigens die Motordrehzahl eingeblendet. Bei Geschwindigkeiten jenseits der 240 geht die auf über 20.000 U/min, und trotzdem bleibt der EV6 relativ „leise“.
e-engine meint: Schon klar. Die Öko- und Tempolimit-Fraktion dürfte hier maximal angewidert sein. Was der GT allerdings bravurös zeigt, ist die technische Überlegenheit der koreanischen Architektur. Vollgasfest und bestens verarbeitet? Gilt bei Stromern nicht mehr automatisch nur für die Deutschen …