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Elektromobilität: Warum Motorjournalisten immer noch anders ticken.

Elektromobilität: Warum Motorjournalisten immer noch anders ticken.

Die Beurteilung von Elektrofahrzeugen durch Motorjournalisten mit „Benzin im Blut“ treibt bisweilen seltsame Blüten. Eine kleine Auslese.

Elektromobilität: Warum Motorjournalisten immer noch anders ticken.

Die Beurteilung von Elektrofahrzeugen durch Motorjournalisten mit „Benzin im Blut“ treibt bisweilen seltsame Blüten. Eine kleine Auslese.

Die Einschnitte machen sich auch in der deutschen Automobillandschaft langsam breit. Corona aller Orten. Vielleicht ist gerade deshalb der richtige Zeitpunkt gekommen, ein paar amüsante Anekdoten rund um den „Motorjournalismus“ auszugraben.

Vor einiger Zeit hat Peter Grett, Urgestein der Elektromobilität, einen sehr amüsanten Artikel lanciert. Wie schon der Name sagt, sind „Motorjournalisten“ den Motoren und damit Geräuschen, Benzingeruch und klassischen Tugenden der Verbrenner verhaftet. Dass die bei Elektrofahrzeugen nicht immer ganz greifen, dürfte auf der Hand liegen. Im Zuge einer kommenden Kooperation mit touremo, dem e-mobilen Magazin für die Tourismusbranche, möchten wir Ihnen dieses Schmankerl nicht vorenthalten! 

Motorjournalisten – verhaftet im BrummBrumm

Manchmal, wenn wir einen Fahrbericht fertig gestellt haben, schauen wir uns andere Kritiken über das gleiche Produkt an. Aus purer Neugierde, aber auch, um mögliche sachliche Fehler oder Fehleinschätzungen notfalls zu korrigieren. Gelegentlich fördert der Blick über den eigenen Tellerrand aber auch allerlei Kurioses bis Ärgerliches zutage. Exemplarisches Beispiel, die Berichte über den Smart forfour electric drive. Hier ein paar Kostproben:

Elektromobilität: Warum Motorjournalisten immer noch anders ticken.

Smart forfour – City-Stromer

Smart forfour electric drive

„Der Anzug beim Kickdown ist, wie wir es von Elektrofahrzeugen ja schon gewohnt sind, bemerkenswert kräftig. Trotzdem sind es aus dem Stand beim Standard-Sprint auf Tempo 100 gähnend lange 12,7 Sekunden. Der eSmart beweist auch hier, dass er eigentlich für die Innenstadt gedacht ist.“ 

Ein Stadtauto also, welche Überraschung! Aber offenbar ein Citycar mit erheblichem Manko, da es in der Tat eine halbe Ewigkeit dauert bis man so richtig hochbeschleunigt hat, um mit Schmackes durch die Tempo 30 Zone zu brettern. Was, stimmt gar nicht? Das Ding braucht nur 5 Sekunden, um auf 60 km/h zu beschleunigen? Na und, aber der Standard-Sprint auf 100 km/h – und nur auf diesen kommt es letztlich und vor allem im urbanen Stau an – dauert einfach viel zu lange…

Auch in einem Beitrag auf der Motorseite einer Tageszeitung über den Hyundai Ioniq Electric, der ansonsten wahre Lobeshymnen  („Dieses Auto ist der Hammer“) aussendet, kann man allerlei Bedenkenswertes zum Thema Beschleunigung lesen:

Elektromobilität: Warum Motorjournalisten immer noch anders ticken.

Hyundai IONIQ Electric

Hyundai IONIQ Electric

Zwar braucht der freundliche Koreaner mit dem Manga-Gesicht knappe zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h, was aber im Betrieb rund um Großstädte nicht relevant ist. Bis Tempo 60 hält der Ioniq locker mit.“

Fragen: mit was oder wem hält der freundliche Koreaner bis Tempo 60 mit? Und wofür muss er eigentlich mithalten?

Immerhin erahne ich zumindest, was uns der Autor dieser Zeilen sagen möchte. Grundsätzlich tolles Auto, aber leider, was die Beschleunigung betrifft, eine lahme Gurke. Macht aber nichts, solange man sie ausschließlich im Speckgürtel rund um Großstädte bewegt. Kommt man aber doch mal in die Verlegenheit, in die City zu fahren, hält der Ioniq zum Glück beim üblichen Racingstart an der Ampel mit. Bei der Imponierchallenge mit dem breitbereiften, Spoiler-bestückten Jüngling von nebenan steht man wenigstens nicht von vorneherein auf verlorenem Posten. Wer bitte würde sich eine solche Blamage schon antun wollen?

Es ist Naturgesetz, dass die Oma immer 500 Kilometer weit entfernt wohnt

O.k., das „Argument“ der miesen Standardbeschleunigung bei einem Stadtautos, dem – Zitat: bei 130 km/h ohnehin die Puste ausgeht – zündet vielleicht jetzt nicht allzu toll, aber man hat ja schließlich noch ganz andere Kaliber im Köcher, z.B. den allseits beliebten Reichweiten-Hammer. So kommen einem Redakteur in seinem Beitrag über den ausgewiesenen Smart-Citystromer mit 155 km Reichweite (o.k., mit realer Range von ca. 120 km) am Ende folgende „pfiffige“ Fragen in den (Un-)Sinn: „warum kaufen? Weil es ein relativ preiswerter Elektro-Fahrspaß ist. Warum nicht? Weil die Reichweite sehr gering ist.“Ein anderer beschwört gar familiäre Krisen herauf, denn zur Oma schafft es der neue Forfour electric drive dann eben nicht mehr. Zumindest nicht ohne ein paar Boxenstopps“.  Richtig, denn ein Naturgesetz besagt, dass Omas in der Regel mindestens 500 Kilometer entfernt von einem Smart ed-Fahrer wohnen.

Man ist angesichts derartiger journalistischer Ergüsse versucht, dann doch mal die Frage zu stellen, warum ausgerechnet Redakteuren, die unreflektiert dem Reichweiten-Fetischismus frönen,  Platz eingeräumt wird, den immer gleichen Unsinn wiederzukäuen. Vielleicht, weil es am Ende gar keine anderen Journalisten gibt?

10 Mio. Zweit- und Drittwagen fahren nie mehr als 100 km am Stück

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass über 10 Millionen Zweit- und Drittwagen in Deutschland in ihrem ganzen Autoleben nie mehr als 100 Kilometer am Stück gefahren werden. Eine Range, die ein forfour ed bei allen Verhältnissen zurücklegen kann und daher ist das Argument, warum Smart bewusst darauf verzichtet hat, in die Reichweiten-Schlacht zu ziehen, durchaus stichhaltig: wie nämlich Kundenbefragungen gezeigt haben, legen Smart-Driver im Durchschnitt täglich nur etwa 35 Kilometer zurück. Und schon höre ich die Motorjournalisten von altem Schrot und Korn aufschreien: „na und, aber die verbrennungsmotorischen Zweit-„Stehzeuge“ könnten immerhin weiter fahren, wenn sie müssten.“

Wer dann immer noch nicht kapiert hat, dass E-Autos eigentlich noch kein Thema sein können, da sie beim Standardsprint versagen und über miese Reichweiten verfügen, für den hält ein ausgewiesener eMobility-Fachmann einer großen, überregionalen Tageszeitung noch einen bisher viel zu wenig beachteten Aspekt bereit:

„…Trotzdem lässt sich die Physik nicht überlisten. Das Fahrgefühl in einem Elektrobrummer unterscheidet sich deutlich von dem eines konventionellen Autos. Der E-Motor sorgt zwar für Topwerte beim Ampelstart, bei schneller Kurvenfahrt schiebt das Übergewicht den Wagen aber schneller von der Bahn.“ 

Jetzt heißt es, ganz tapfer sein! Da sich bisher die Berichte über aus Kurven geflogenen E-Drivern noch in äußerst engen Grenzen halten, kann die bittere Wahrheit nur lauten: die E-Kisten zwingen uns, den uns alle inne wohnenden Rennfahrer zu unterdrücken. Nix mehr mit rasanten Kurvenfahrten. Was ist das aber dann für ein (e-)mobiles Leben, wenn man nur noch an der Ampel die Sau raus lassen kann, dann aber weit vor Erreichen der 100 km/h kapitulieren muss. Und am Ende wird dann auch noch frustriert um die schöne schnelle Kurve gezuckelt.

Wer also mithalten will im harten „traffic battle“, wird sich diese Schmach nicht antun. Sagen jedenfalls die kompetenten Journalisten von der Brumm-Brumm Fraktion. Und die müssen es ja schließlich wissen.

Text: Peter Grett, Fotos: Smart, Hyundai, Mercedes-Benz

Über den Autor:

 

Peter Grett, Urgestein der Elektromobilität und Herausgeber des touremo Magazin.

Peter Grett

Peter Grett beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren beruflich mit allen Fragen der Elektromobilität. Nach dem Studium der Pädagogik und (Wirtschafts-)Psychologie bereits Mitte der 90er Jahre als Geschäftsführer eines E-Fahrzeug-Entwicklungsunternehmens tätig, gehört er zu den eMobility-Pionieren in Deutschland. Der Mitbegründer des Bundesverbands eMobilität blieb als Marketingleiter und Berater verschiedener Elektrofahrzeug-Unternehmen, später als Chefredakteur, freier Journalist und Autor dem Thema bis heute treu. Peter Grett ist mittlerweile ein international gefragter Experte und Referent für die Implementierung der Elektromobilität im touristischen Umfeld.

touremo – das e-mobile Magazin für die Tourismusbranche

touremo-Magazin

Das touremo-Magazin orientiert sich an den spezifischen Interessen, Bedingungen und Potentialen von Branchenplayern. Daher ist das Medium zur Elektromobilität vor allem eines: praxisorientiert.

Nicht die neuesten Nachrichten aus der weiten Welt elektromobiler Forschungen und Entwicklungen stehen folglich im thematischen Fokus, sondern touremo-Online ist charakterisiert durch

  • das Aufzeigen konkreter Anwendungs- und Handlungsmöglichkeiten
  • die Vorstellung von Produkten und e-mobiler Dienstleistungen, die für den spezifischen Tourismusmarkt prädestiniert sind
  • die Präsentation von Best-Practice-Beispielen
  • das Einholen und Kommunizieren von Stimmungs- und Meinungsbildern (anhand von Umfragen, Interviews)

Trotz seiner B2B-Ausrichtung unterscheidet sich das touremo-Magazin von vielen Fachmagazinen, denn sein Stil ist lebendig, flott, bisweilen sogar frech. touremo-Magazin informiert nicht nur, sondern soll – dem Thema entsprechend – seine LeserInnen bewegen. Wir wollen anregen – zur Diskussion und vor allem zu e-mobilen Aktivitäten.

1 Kommentar

  1. Christoph Scheel sagt:

    Vielem kann ich zustimmen, es kommt mir manchmal vor als würde der klassische Motorjournalismus noch weiter hinterher hängen als die Autohersteller.

    Jedoch fällt mir in der Diskussion auf, dass die Argumente für die E-Mobilität und die Diskussionskultur selbst auch ihre Probleme haben.

    Zum Einen wäre da das Argument der ausreichenden Reichweite bei Stadtfahrzeugen. Es stimmt das die Reichweite der modernen E-Autos ausreicht um die alltäglichen Strecken zu bewältigen. Bei dieser Argumentation werden jedoch zwei wichtige Aspekte außen vor gelassen. Der Erste ist das Problem der Reichweitenangst. Dabei handelt es sich, wie der Name schon impliziert, um eine Emotion und wenn sich in den letzten Jahren eines gezeigt hat, dann das man starken Emotionen nur schwer mit Fakten beikommt. Tesla hat das verstanden, deren Fahrzeuge hatten von Anfang an vergleichsweise hohe Reichweiten und es wurde von Beginn an ein Netzwerk an Schnellladestationen aufgebaut.
    Der Zweite Aspekt betrifft das Laden der Fahrzeuge in der Stadt. Für Menschen, die nicht über einen eigenen Stellplatz mit Ladefunktion verfügen (also die allermeisten Stadtbewohner) ist es derzeit sehr unpraktisch ein E-Auto zu fahren. Um dieses Aufzuladen, muss man eine verfügbare Ladesäule finden und hoffen, das sie noch frei ist. Da es sich dann nur selten um Schnelllader handelt, muss man sehr lange warten bis eine adäquate Reichweite geladen wurde. Das ist kein sinnvoller Weg mit der urbanen E-Mobilität umzugehen. Es bräuchte stattdessen E-Tankstellen mit zahlreichen Schnellladesäulen um die Autos mit akzeptabler Geschwindigkeit und ausreichem Komfort zu laden.

    Zum Anderen halte ich die derzeitige Diskussionskultur rund um das Thema E-Mobilität für nicht förderlich. Es ist extrem schwer geworden, sachliche und begründete Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung der E-Mobilität zu äußern, ohne das einem sofort Rückständigkeit und generelle Ablehnung von E-Autos vorgeworfen wird. Bei manchen scheint der Glaube an E-Autos tatsächlich einer Religion zu ähneln, inklusive Messias. Jede Kritik daran wird dann wie eine Art Häresie behandelt. Auf der anderen Seite ist es bei den „Petrolheads“ nicht besser. Leider scheinen diese beiden Gruppen derzeit den Diskurs zu bestimmen, weshalb es so gut wie keine fruchtbaren gesellschaftlichen Diskussionen zu dem Thema gibt.

    Ich denke das wir in unserer Entwicklung hin zu klimaneutraler Mobilität nicht weiterkommen werden solange wir diese Probleme nicht angehen.

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