Status quo bei Wireless Charging
Gerade hat das EU-Parlament das endgültige Aus für Verbrenner ab 2035 beschlossen. Natürlich jubelt darüber die grüne Blase und natürlich finden das die Verfechter der klassischen Mobilität, die „Diesel-Dieters“ „böse“. Allein – bis 2035 wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfliessen. Was allerdings schon jetzt feststeht, ist die Tatsache, dass viele gewünschte Entwicklungen, dies zu ermöglichen, vermutlich nicht so passieren werden, wie man erwartet. Das beginnt beim zu langsamen Hochlauf der Elektromobilität aus verschiedenen Gründen und endet noch lange nicht mit dem zu langsamen Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Dezember 2021: Induktives Laden mit Momentum Dynamics und Jaguar I-PACE in Oslo. Keine Kabel mehr, nur noch Strom über sogenannte „Pads“ mit bis zu 75 kW Ladeleistung.
Ladeinfrastruktur
Die Ladeinfrastruktur und die damit verbundenen Energiepreise werden eine entscheidende Rolle beim Hochlauf der Elektromobilität spielen. Derzeit sieht es nicht so aus, als würde sich hier ein Happy End einstellen wollen. Die Energiepreise an den öffentlichen Ladestationen kratzen inzwischen beim ad-hoc-Laden bedrohlich nahe an der 1-Euro-Grenze für die Kilowattstunde und die Benutzung der Plug-in-Ladestationen ist für viele nicht wirklich bequem. Das beginnt bei Inkompatibilitäten und hört mit der komplizierten und zersplitterten Zahlungsweise nicht auf. Und dann erhöhen sich zu bestimmten Zeiten auch noch die Wartezeiten, nämlich dann, wenn viele gleichzeitig Laden und der Energiedurchsatz deshalb sinkt. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie das Ladenetz Teslas, das ein Optimum an Verlässlichkeit und Bequemlichkeit bietet. Aber geht es noch besser?
Induktives Laden an Bushaltestellen mit bis zu 300 kW Ladeleistung sollen dafür sorgen, dass die elektrisch betriebenen Busse mit kleineren Batterien auskommen – was letztlich weniger Rohstoffe verbraucht.
Wireless Charging
Immer mehr Unternehmen nehmen sich des Wireless Chargings an. Diese induktive Lademöglichkeit zeichnet sich vor allem durch eine hohe Bequemlichkeit und Sicherheit aus. Die heute gebräuchlichste Methode der kabellosen Energieübertragung (Wireless Power Transfer, WPT) erfolgt über zeitlich variierende Magnetfelder mit niedrigen bis hohen Frequenzen (30 kHz bis 30 MHz). Dies kann auch als „induktiver WPT“ oder „Magnetfeld-WPT“ bezeichnet werden. Drahtlose Ladegeräte arbeiten weit unterhalb der Funkfrequenzen, die uns überall umgeben. Im Gegensatz zu hochenergetischer (ionisierender) Strahlung können elektrische und magnetische Felder (EMF) im nicht-ionisierenden Teil des elektromagnetischen Spektrums DNA oder Zellen nicht direkt schädigen.
Bei den Frequenzen, die für das kabellose Aufladen von Elektrofahrzeugen verwendet werden, sind Magnetfelder unempfindlich gegenüber Luft, Wasser, Eis, Beton, Holz, Kunststoff und anderen üblichen nichtmetallische Materialien. Sie durchdringen diese Gegenstände und den menschlichen Körper, ohne zu interagieren oder Schaden anzurichten. Dies ermöglicht auch hermetisch geschlossene Konstruktionen, die sicherer und robuster sind als kontaktbasierte oder kabelgebundene Ladeverfahren. Ein kabelloses System minimiert auch das Risiko von Stromschlägen und Stolperfallen. Der neueste Bericht von IDTechEx enthält detaillierte Informationen zu den Normen und Sicherheitsmerkmalen von kabellosen Ladesystemen für Elektrofahrzeuge.
Aktive Abschirmmethoden
Die Abschirmung ist wichtig für den sicheren Betrieb von kabellosen EV-Ladegeräten. Ohne Abschirmung können folgende Probleme auftreten: Das Magnetfeld kann das Elektrofahrzeug oder andere Objekte stören, die Batterie erwärmen und Strom in Metallteile leiten. Es gibt zwei grundlegende Methoden zur Abschirmung gegen nieder- bis mittelfrequente magnetische Quellen, darunter die Verwendung von Ferriten, um den magnetischen Fluss auszurichten, und Aluminiumplatten, um Streufeldverluste zu minimieren. Das Forschungsunternehmen IDTechEx befragte verschiedene Akteure in der Branche und stellte fest, dass die Abschirmung hauptsächlich unter dem Sender und über dem Empfänger angebracht wird. Dem Bericht zufolge wird das Magnetfeld nicht abgestrahlt, sondern wiederverwertet und in den Pads eingeschlossen, da es resonant, stark gekoppelt und geformt ist.
Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Fremdkörper sollen durch verschiedene Methoden sicher erkannt werden.
Gefahr für Kleintiere und Lebewesen?
Die Sicherheit von kabellosen Ladegeräten wird durch den Einsatz von Systemen zur Erkennung von Fremdkörpern (Foreign Object Detection, FOD) und zum Schutz vor lebenden Objekten (Living Object Detection, LOP) weiter verbessert. Diese Systeme erkennen metallische Gegenstände zwischen der Sende- und der Empfangsstation und können die Stromübertragung unterbrechen. Dies ist wichtig, da sich Metallgegenstände, selbst kleine Objekte wie Büroklammern oder Münzen, erhitzen und ein Verbrennungsrisiko darstellen können. FOD kann auf verschiedene Weise erreicht werden. So können beispielsweise kapazitive Sensoren im Pad zur Überwachung der Leistung der Spulen eingesetzt werden. Ein Metallgegenstand auf dem Pad verändert die Kapazität, so dass seine Anwesenheit erkannt werden kann. Organische Objekte, wie z. B. ein Tier auf der Unterlage in einer Garage, werden dadurch jedoch nicht unbedingt erkannt. Optische Sensoren am Rand der Platte mit Infrarot-LEDs und Fotodioden-Detektoren oder sogar Lidar können verwendet werden, um sowohl metallische als auch organische Gegenstände auf der Platte zu erkennen und den Ladevorgang abzuschalten, wenn ein Hindernis erkannt wird.
Nachteile im Stromverbrauch
Aber neben erhöhten Kosten für sicheres Laden, wie oben erwähnt, ist auch der Energieverbrauch und die Ladeschnelligkeit in der Vergangenheit noch nicht optimal gewesen. Fortschritte gibt es durchaus. Während vor mehr als 2 Jahren die Effizienz beim drahtlosen Laden um die 40% bei Smartphones etc lag, beträgt die Effizienz beim Laden eines Fahrzeugs inzwischen bis zu über 90 % wie obige Zusammenstellung von IDTechEx Research zeigt. Dabei ist der Platzhirsch derzeit Momentum Dynamics (jetzt: InductEV) mit einer Effizienz von 94 Prozent bei einer Ladeleistung von mehr als 300 kW. Das ist in der Tat erstaunlich, denn die allermeisten Mitbewerber tummeln sich bei weit geringeren Ladeleistungen.
e-engine meint: Die Sicherheitsaspekte und Bequemlichkeit beim induktiven Laden sind in der Tat bestechend. Andererseits würde ein flächendeckender Einsatz Konstruktionsänderungen bei den Fahrzeugen und eine andere Ladeinfrastruktur-Politik voraussetzen. Zusammen mit zukünftigen bidirektionalen Lade-Anforderungen an Elektrofahrzeuge, um beispielsweise das Stromnetz zu stabilisieren und als Backup zu fungieren, wird so die Komplexität der Fahrzeuge weiter steigen. Wir sind äußerst skeptisch, ob eine solche umfassende Elektromobilitätspolitik überhaupt machbar, und kurzfristig durchsetzbar ist. Tatsächlich sind die Einsatzbereiche für induktive Ladelösungen eher im ÖPNV zu sehen, um die Reichweiten der Busse bei gleicher Batteriekapazität zu erhöhen. Diese Investitionen müssten allerdings heute schon angestossen werden. Proaktives Arbeiten ist in der Politik aber leider nicht gegeben. Es werden immer mehr Richtlinien erlassen, die Aktionen erfordern, die nicht geleistet werden. Die Diskrepanz zwischen „Machen“ und „Wollen“ steigt also weiterhin.
Fotos/Charts: Bjørn Nyland (Youtube Stills), Momentum Dynamics (InductEV), IDTechEx Research
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