Spielen die westlichen „Erbsenzähler“ den Chinesen in die Hände?
E- for Electric hat diesmal ein wahnsinnig spannendes Interview mit Sandy Munro im Programm. Aber, wie Youtuber Alex Grubermann zwischenzeitlich feststellt, es ist eigentlich ein Monolog und kein Interview. Gruber eröffnet die Fragerunde und will Munros Einschätzung zu China wissen. Und dann geht’s los. Wer Munro schon öfter dozieren hörte, der kennt auch seine Vorliebe für den chinesischen Kriegerphilosophen Sun Zu. Dessen Einlassungen finden häufig Parallelen in der Wirtschaft. So kann auch eine zentrale Aussage Zus wirtschaftlich interpretiert werden: „Man muss da angreifen, wo der Feind NICHT ist!“ Klingt nachvollziehbar und ist zufällig eine präzise Beschreibung dessen, was den westlichen OEMs, die derzeit noch Verbrenner fertigen, durch China bevorsteht.
Warum Tesla nicht die deutschen „Premiumhersteller“, wohl aber die chinesischen BEV-Hersteller fürchten muss
Munro erläutert als advocatus diaboli, wie die Chinesen ticken. Wo, fragt er, sind die westlichen OEMs am Schwächsten? Genau. Bei der Elektromobilität. Bislang haben die (bis auf VW) komplett planlos agiert, weil sie die Elektromobilität bis Ende letzten Jahres nicht ernst genommen haben. Munro ist sich nicht mal sicher, ob Cadillac, BMW, Daimler & Co dies jetzt endlich tun. Die Chinesen können Autos bauen, das haben sie durch Joint Ventures mit Cadillac, BMW, Mercedes und vielen anderen OEMs unter Beweis gestellt. Und sie haben einen Riesen-Vorsprung. Der Löwenanteil der Batteriefertigung ist in China lokalisiert. Man hat, was Verbrennungsmotoren betrifft, keine Altlasten zu beachten und man hat die besten Köpfe an die Entwicklung gesetzt. Und, so Munro, Chinesen lernen schnell.
„Erbsenzähler“ sind der westlichen OEMs Untergang
Und genau hier haben die westlichen (Verbrenner-) OEMs den entscheidenden Fehler begangen. Durch ihre Planlosigkeit und Anbetung der Betriebswirtschaftler haben sie wertvolle Zeit verloren im Rennen um die Marktvorherrschaft der Zukunft. Apropos Zukunft. Auch hier sieht Munro den größten Fehler des Westens darin begründet, dass man versucht durch die Erfahrungen der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. Quasi durch den Blick in den Rückspiegel. „Das,“ so Munro, „ist nicht zielführend!“ Was ihn direkt zu den kommenden Marktführern aus China bringt: den NIOs, XPENGs, SAICs und BYDs. Derzeit gebe es über 360 Automobilfirmen und -Start-ups im Reich der Mitte. Die geballte Innovationskraft der Newcomer sei gigantisch, auch wenn er eine Konsolidierung auf weniger als die Hälfte in den nächsten Jahren sieht.
Sein Fazit: die deutschen und amerikanischen OEMs werden mit ihrer Langsamkeit und der Focussierung auf „betriebswirtschaftliche“ Parameter das Rennen gegen den dynamischen chinesischen Markt verlieren. Nicht weil sie schlechte Ingenieure haben, sondern weil sie durch die Fehleinschätzungen der Betriebswirtschaftler einfach 4-5 Jahre zu spät dran sind. „Erst jetzt kümmert man sich um Batteriefabriken im eigenen Land“. Und fast nonchanlant lobt er die Strategie Teslas. „Alles richtig gemacht“. Allerdings mit einer Einschränkung: Qualität. Und genau da brillieren die Chinesen (auch beim Tesla Model 3/Y aus Shanghai). Dieses Interview sollten sich die Verantwortlichen (Ingenieure, nicht die „Erbsenzähler“) von München, Stuttgart und Ingolstadt mal zu Gemüte führen. Wir hoffen derweil inständig, dass sich Sandy Munro irrt …